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Das Alter kann für Hypothekarkunden schnell zu einer hohen Hürde werden.

NZZ | Michael Schäfer • Jan. 26, 2020

Strenge Finanzierungsregeln machen nicht mehr ganz jungen Kunden oft einen Strich durch die Rechnung. Wer frühzeitig die richtigen Massnahmen trifft, kann die grosse Enttäuschung vermeiden.

Vor Jahren hat sich Herr Meier ein hübsches Häuschen unweit des Zürichsees gekauft. Zwar wurde die Liegenschaft aus dem 18. Jahrhundert bereits mehrfach renoviert und befand sich in einem guten Zustand. In einer Sache hatte der vorhergehende Eigentümer jedoch kein glückliches Händchen. Er liess in den 1970er Jahren eine Elektroheizung einbauen, was damals angesichts tiefer Strompreise vernünftig erschien. Über die Zeit hat sich der Strompreis aber deutlich verteuert, und die Heizung, die viel Energie benötigt, wurde zur finanziellen Belastung. Herr Meier beschloss, dass sich das ändern soll.

 

Negative Überraschung

 

Er liess sich von Fachleuten beraten und entschied, die Elektro- durch eine Gasheizung ersetzen zu lassen. Der Umbau werde zwei Wochen in Anspruch nehmen und etwa 100 000 Fr. kosten, wurde ihm beschieden. Schnell waren die Termine mit den Handwerkern abgemacht. Diese standen schon fast vor der Haustür, als sich Herr Meier auf den Weg zu seiner langjährigen Hausbank machte, um seine Hypothek aufzustocken.

 

Sein Wunsch war, sich von der Bank 70 000 Fr. finanzieren zu lassen und den Rest mit Eigenmitteln zu bestreiten. Herr Meier ging davon aus, dass die Aufstockung eine reine Formalität sein würde. Der 57-Jährige hatte sieben Jahre zuvor rund 900 000 Fr. für die Liegenschaft bezahlt und damals einen Kredit von 550 000 Fr. aufgenommen. Bei einer üblichen maximalen Belehnung von 80% müsste der finanzielle Spielraum sogar 170 000 Fr. betragen, dachte er.

 

«Schon bei 50-Jährigen beginnen viele Institute die Tragbarkeit auf Basis der Rente zu berechnen.» Giampiero Brundia Avobis, Hypothekenbörse

 

Doch weit gefehlt, die langjährige Hausbank gab ihm schnell zu verstehen, dass sie eine Erhöhung des Kredits ablehnt. Die Begründung: sein fortgeschrittenes Alter. Vor diesem Hintergrund sei eine Belehnungsquote von 60%, wie sie gegeben war, genau richtig. Spielraum nach oben gebe es somit keinen. Was für Herrn Meier nur ein schwacher Trost sein dürfte: Er ist bei weitem kein Einzelfall, wie Giampiero Brundia von der Avobis Hypothekenbörse weiss. Und mit einer steigenden Lebenserwartung und dem immer weiter verbreiteten Wunsch, möglichst lange in den eigenen vier Wänden zu wohnen, gewinnt die Problematik weiter an Bedeutung.

 

Zwar gibt es auch einige Anbieter wie die Hausbank von Herrn Meier, die ihren Kunden schon allein aufgrund des fortgeschrittenen Alters eine Hypothek oder deren Aufstockung verwehren. Meist scheitert es aber an dem, was fast alle Banken auf eine Anfrage der NZZ antworten: Sie verfahren mit den älteren Kunden genauso wie mit den jüngeren. Mit einer Ausnahme: Ab dem Pensionsalter belehnen sie Eigenheime nur noch mit zwei Dritteln statt mit 80%.

 

Aber selbst bei Anwendung dieser Regel hätte Herr Meier seine Hypothek noch um 50 000 Fr. aufstocken können. Möglicherweise wäre der Spielraum sogar noch grösser gewesen, da die Immobilienpreise in den vergangenen Jahren spürbar zugelegt haben und durch die energetische Sanierung möglicherweise eine zusätzliche Wertsteigerung entstanden wäre. Noch einschneidender als die tiefere maximale Belehnung wirkt aber eine zweite Regel, die die Hypothekargeber beachten: Nur ein Drittel des Einkommens eines Haushalts darf für die Hypothek aufgewendet werden.

 

Keine hohe Hürde, mag man angesichts von Hypothekarzinsen denken, die selbst für zehnjährige Laufzeiten bei etlichen Anbietern unter 1% liegen. Allerdings wird die Hürde künstlich weitaus höher angesetzt. Um zu vermeiden, dass scharenweise Haushalte in die Bredouille kommen, wenn die Zinsen steigen, rechnen die Anbieter mit einem kalkulatorischen Satz, der meist bei mindestens 5% liegt und auf den noch Unterhaltskosten und allfällige Amortisationen geschlagen werden.

 

Flexibilität ist ein hohes Gut

 

Für Herrn Meier bedeutet das, dass er bei einer Kreditsumme von 620 000 Fr. mindestens über ein jährliches Einkommen von 93 000 Fr. verfügen muss, wenn er in einigen Jahren pensioniert wird. Da in der Rente mit Einbussen von 30 bis 40% gegenüber dem letzten Einkommen im Erwerbsleben zu rechnen ist, müsste sein gegenwärtiges Gehalt in der Gegend von 135 000 bis 155 000 Fr. liegen. Genau an dieser Hürde scheitern besonders viele Kreditnehmer, die schon zu den Pensionierten zählen oder in einigen Jahren in Rente gehen.

 

Um nicht eines Tages in eine knifflige Situation zu geraten, die im Extremfall darauf hinauslaufen kann, dass man sein Eigenheim früher verlassen muss als geplant oder die eigenen vier Wände nicht wie gewünscht im Schuss halten kann, sollte man einige Dinge beachten. Zunächst einmal sollte man sich der besonderen Spielregeln für ältere Kreditnehmer bewusst sein. Dazu zählt vor allem auch die Tatsache, dass diese Altersgruppe bei den Banken schon sehr früh beginnt.

 

«Schon bei 50-jährigen Hypothekarnehmern beginnen viele Institute die Tragbarkeitsrechnung auf Basis des Renteneinkommens anzustellen», gibt Brundia zu bedenken. «Man kann eigentlich gar nicht früh genug damit beginnen, sich mit dieser Situation auseinanderzusetzen», ergänzt der Hypothekarexperte. Auf jeden Fall solle man das Gespräch früh mit dem Hypothekargeber suchen, um zu eruieren, ob die Hypothek im Alter unverändert weitergeführt werden kann oder ob eine anvisierte Aufstockung im machbaren Rahmen liegt.

 

Ebenso wichtig ist es, sich ein hohes Mass an Flexibilität zu sichern. Statt eine Hypothek später aufzustocken, sei es häufig sinnvoller, nur so viel zu amortisieren wie nötig und stattdessen Liquidität aufzubauen, die dann etwa für eine Sanierung verwendet werden könne, rät Brundia. Häufig sei es einfacher, bei einer laufenden Hypothek eine höhere Belehnung beizubehalten, als einen bereits in stärkerem Mass amortisierten Kredit wieder aufzustocken.

 

Unterschiedliche Handhabung

 

Zudem handhabt nicht jede Bank, Versicherung oder Pensionskasse die Thematik gleichermassen streng. Nicht nur bei den kalkulatorischen Zinssätzen gibt es Unterschiede, gewisse Anbieter wie Raiffeisen lassen im Pensionsalter bei der Tragbarkeit einen höheren Prozentsatz von 38% statt der üblichen 33% zu, weil es dann keine Sozialabzüge mehr gibt. Andere, wie die Migros-Bank, rechnen ab einer gewissen Höhe des Vermögens einen möglichen Verzehr als zusätzliche Einkommensquelle neben der AHV und der Pensionskasse ein.

 

Gewisse Banken bieten auch spezielle Hypotheken für Senioren an, bei denen weniger strenge Tragbarkeitsregeln angewendet werden. Hier wird aber stets eine sehr niedrige Belehnung der Immobilie vorausgesetzt und/oder nennenswerte weitere Vermögenswerte. Ausserdem sind solche Produkte oft teurer als normale Hypotheken. Wer, wie Herr Meier, von der Hausbank enttäuscht wird, kann natürlich den Anbieter wechseln. Das kann aber teuer werden, weil die Bank dann in der Regel für die Restlaufzeit eine Vorfälligkeitsentschädigung verlangt. Wie man es dreht und wendet: Eine gut geplante Immobilienfinanzierung ist für angehende Senioren besonders wichtig.

Quelle: NZZ

 

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